Wolfgang Kubicki: Warum eine Aufarbeitung der Corona-Jahre dringend nötig ist (2022-12-10)
Die Rolle der Medien und des RKI müsse kritisch beleuchtet, die politische Krise parlamentarisch aufgearbeitet werden, fordert der FDP-Politiker in unserer Corona-Debatte.
Seit dem vergangenen Herbst und Winter hat sich nach meinem Empfinden etwas Entscheidendes verändert. Eine enorme Erschütterung ging durch die bereits arg coronagepeinigte bundesdeutsche Gesellschaft, die für viele bis heute nachwirkt. So wurde ich vor ein paar Wochen am Rande einer Veranstaltung von einer Frau angesprochen, die den langen Weg quer durch die Republik nur deshalb auf sich genommen hatte, um mir persönlich zu danken. Sie hatte Tränen in den Augen. Sie erklärte, sie wüsste nicht, was mit ihr passiert wäre, wenn die allgemeine Impfpflicht jetzt hätte umgesetzt werden müssen – so wie es von einem großen Teil der Bundestagsabgeordneten vor einem Jahr geplant gewesen war.
Solche persönlichen Erlebnisse habe ich seit der erregten Debatte um die allgemeine Impfpflicht immer wieder. Diese individuellen Leidensschilderungen zeigen mir nicht nur, wie grausam die Kraft der Ausgrenzung in jenen Tagen auf viele gewirkt hat, sondern auch, wie wenige Identifikationsfiguren und Anknüpfungspunkte diese Menschen im öffentlichen Diskurs hatten. Kaum jemand ergriff damals öffentlich Partei, um diesen Menschen so etwas wie Halt oder Trost zu spenden.
Stattdessen wurden sie von Weltärztepräsidenten zu „Tyrannen“ gestempelt, von Kirchen mittels 2G herzlos ausgesperrt, ja sogar das Bundesverfassungsgericht verfügte „2G plus plus“ (also mit aktuellem PCR-Test) in seinen Räumen. Wer individuelle Gründe für sich geltend machen wollte, sich nicht impfen zu lassen, wurde im Diskurs gnadenlos überrollt, gesellschaftlich geächtet, mit schweren Nachteilen bedroht und als unsolidarisch gescholten. Obwohl ich selbst nicht von dieser Ausgrenzung betroffen war – ich habe mich mittlerweile aus Überzeugung das vierte Mal impfen lassen –, bekam ich eine Ahnung von der Wucht dieser Welle, als ich mich im vergangenen Jahr öffentlich gegen diese Art des Umgangs wehrte.
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