Halle (Deutschland) – Die sogenannte Himmelsscheibe von Nebra gehört weltweit zu den bedeutendsten archäologischen Funden, zeigt sie doch die bislang ältesten konkreten Darstellung des Sternenhimmels der Menschheit. Trotz umfangreicher Untersuchungen, gibt es immer noch auch offene Fragen rund um die Scheibe. Etwa jene um deren Herstellungstechnik. Neue metallografische Analysen liefern nun auch hierzu neue Erkenntnisse.
Wie das Forschungsteam des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt in Kooperation mit Prof. Dr. Thorsten Halle vom Lehrstuhl für Metallische Werkstoffe von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Firma DeltaSigma Analytics aktuell im Nature-Fachjournal „Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/s41598-024-80545-5) berichtet, war schon zuvor aufgrund der Materialzusammensetzung und früherer Untersuchungen bekannt, dass die Scheibe in ihrer endgültigen Größe nicht einfach gegossen worden sein konnte.
Die 3700 bis 4100 Jahre alten„Himmelsscheibe von Nebra“.
Analysen offenbaren komplexen Herstellungsprozess
Trotz der zunächst vielleicht einfachen Anmutung war und ist das Schmieden einer Bronzescheibe von rund 31 Zentimetern Durchmesser und nur wenigen Millimetern Stärke keinesfalls eine triviale Aufgabe. Die neuen metallografische Analysen zeigen, dass die Himmelsscheibe stattdessen in einem aufwendigen Warmschmiedeprozess hergestellt wurde. „Bis sie ihre endgültigen Ausmaße erreichte, waren ungefähr zehn Zyklen notwendig, die jeweils ein Erhitzen bis auf ungefähr 700 Grad Celsius, Ausschmieden und anschließendes Glühen umfassten, um das Metallgefüge wieder zu entspannen“, so die Forschenden.
Kupferschmied Herbert Bauer bei der Herstellung einer Replik des Rohlings der Himmelsscheibe.
Zu diesem Ergebnis kam das Team anhand der Untersuchungen einer kleinen Probe, die bereits 2002 für verschiedene archäo-metallurgische Analysen aus dem äußeren Rand der Scheibe entnommen, dann wieder eingefügt und nun erneut temporär entnommen wurde. Durch Analysen der Mikrostruktur an farbgeätzten Oberflächen mit dem Lichtmikroskop, Energiedispersiver Röntgenspektroskopie und Electron backscatter diffraction (deutsch: Elektronenrückstreubeugung), Härtemessungen und parallel dazu durchgeführte archäo-experimentelle Versuche, wurde der Prozess nachvollzogen und schlussendlich durch eine von dem Kupferschmied Herbert Bauer entsprechend hergestellte Replik überprüft und bestätigt.
Einblicke in handwerkliches Können in der Frühbronzezeit
„Dass die Untersuchungen auch mehr als 20 Jahre nach der Sicherstellung der Himmelsscheibe noch derart grundlegende neue Erkenntnisse erbrachten, bezeugt nicht nur einmal mehr den außergewöhnlichen Charakter dieses Jahrhundertfundes, sondern auch, wie hoch die Kunst der Metallverarbeitung bereits in der Frühbronzezeit ausgeprägt war“, erläutert der Landesarchäologe Prof. Dr. Harald Meller. „Die neuesten Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass die frühbronzezeitlichen Handwerker nicht nur herausragende Gießer waren, sondern auch die Weiterverarbeitung von Bronzeartefakten zum Beispiel durch Warmschmieden auf höchstem Niveau beherrschten. Mit ihren umfangreichen Erfahrungen und Kenntnissen waren sie nicht nur in der Lage, beispielsweise zahlreiche Beile in einer Art Serienproduktion zu fertigen, sondern auch ein aus heutiger Sicht einzigartiges Werkstück wie die Himmelsscheibe von Nebra zu schmieden.“
Zudem zeige die Himmelsscheibe damit einmal mehr, wie wichtig es für den Erkenntnisfortschritt ist, auch bekannte und vermeintlich ausgeforschte Funde einer erneuten Untersuchung zu unterziehen, wenn neue Methoden zur Verfügung stehen.